Hilfesuchende werden jünger

Der Verein Hilfe für Nachbarn Coburg zieht Bilanz. Sie zeigt auf, dass die Folgen der Corona-Pandemie insbesondere Menschen treffen, die mitten im Berufsleben stehen sollten.

 

Von Wolfgang Braunschmidt
 
Coburg – Für Landrat Sebastian Straubel ist die Sache klar: Der Verein Hilfe für Nachbarn Coburg leiste eine „ganz wichtige Unterstützung in Bereichen, wo andere Hilfssysteme nicht greifen“. Der Verein, der vor zehn Jahren auf Initiative der Neuen Presse und der Sparkasse Coburg-Lichtenfels gegründet wurde, sei aus dem sozialen System in Stadt und Landkreis Coburg nicht mehr wegzudenken und „eine wichtige Unterstützung für Menschen in Not“.
Das unterstreicht Oberbürgermeister Dominik Sauerteig:  „Es ist sehr gut, dass es den Verein gibt.“ Er leiste schnell und unbürokratisch finanzielle Hilfe für Menschen, die unverschuldet in Notlagen geraten sind. Sauerteig: „Wir sind dankbar, dass Coburgerinnen und Coburger mit ihren Spenden diese Arbeit ermöglichen.“ Der Landrat und der Oberbürgermeister sind Mitglieder des Vorstands, an dessen Spitze Jürgen Müller und Martin Faber stehen.

Mehr Online-Spenden

Vorstandsvorsitzender Müller zog bei der Hauptversammlung eine Bilanz des Geschäftsjahres, das von Corona geprägt gewesen sei. Die Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren in der Pandemie hätten viele Aktionen zugunsten von Hilfe für Nachbarn zunichte gemacht. Umso mehr freue man sich über einen Zuwachs bei den Onlinespenden. Über diesen Weg habe der Verein insgesamt knapp 7000 Euro erhalten. „Das sind rund 8,5 Prozent des gesamten Spendenaufkommens“, berichtete der Vorstandsvorsitzende. Rund 9300 Euro wurden aus Stiftungen erlöst.
In Summe hat Hilfe für Nachbarn im Jahr 2020 Spenden in Höhe von 82 294,86 Euro erhalten. Deren Höhe habe zwischen fünf und 6000 Euro gelegen. Das Geld stammt von 467 Spenderinnen und Spendern – Privatleuten ebenso wie Unternehmen. Die Zahl derjenigen, die den Verein unterstützen, steige seit Jahren beständig. „Gerade mit Blick auf die Coronapandemie erhielten wir zahlreiche Spenden für Personen, die direkt von der Erkrankung betroffen sind“, erläuterte Jürgen Müller. Seit der Vereinsgründung im Mai 2011 seien insgesamt 549 357,34 Euro eingegangen.

135 Antragsteller

2020 sei auch für Hilfe für Nachbarn ein besonderes Jahr gewesen. Der direkte Kontakt der Hilfsempfänger zu den Wohlfahrtsverbänden – Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz, Arbeiter Samariter Bund – sowie den Sozial- und Jugendämtern von Stadt und Landkreis  Coburg sei wegen des coronabedingten Lockdowns über längere Zeit nicht möglich gewesen. Erst im Herbst 2020 habe wieder eine Zunahme von Kontakten verzeichnet werden können. Die Gesamtzahl der Hilfsanträge sei daher rückläufig gewesen, wobei die Höhe der ausgezahlten Geldbeträge im Vergleich zu den Vorjahren nicht so stark zurückgegangen sei. 2020 hätten 135 Antragsteller finanzielle Leistungen von insgesamt 48 352,94 Euro erhalten. Es habe kein Antrag abgelehnt werden müssen.
Notlagen, die direkt im Zusammenhang mit der Erkrankung Covid-19 standen, die das Corona-Virus auslöst, hätten abgedeckt werden können. Auffällig gewesen sei der „spürbare Zuwachs“ im Bereich der Neuanträge auf Arbeitslosengeld II. „Gerade hier konnten finanzielle Hilfen als Überbrückung, bis staatliche Unterstützung greift, aus dem Verein Hilfe für Nachbarn genutzt werden“, berichtete Vorstandsvorsitzender Müller. Und: „Dabei stellten wir fest, dass einige unserer Klienten leider auf Grund von Arbeitsverlust durch die Pandemie wieder vermehrt auf staatliche Hilfen zurückgreifen mussten.“

Hilfsbedürftige werden jünger

Bei den Auszahlungen bis 200 Euro stünden nach wie vor existenzsichernde Unterstützungen an erster Stelle. Spenden in diesem Bereich würden vor allem für den alltäglichen Grundbedarf wie Lebensmittel und Pflegeartikel benötigt, also oftmals zur Bewältigung ganz akuter Notlagen“, so Jürgen Müller. Bei größeren benötigten Beträgen habe sich der Trend der Vorjahre fortgesetzt. Die Hilfen hätten vorrangig der Beschaffung von Haushalts- und Elektrogeräten sowie Möbeln gedient.
Beim Vergleich der Altersstruktur falle auf, dass der größte Teil der Unterstützung auf Menschen zwischen 25 und 40 Jahren entfalle, „also derjenigen Gruppe, die vom Alter her mitten im Berufsleben stehen sollte“. Dies lasse den Rückschluss zu, dass im Jahr des Pandemie-Ausbruchs Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, vermehrt in Notsituationen geraten sind. Dagegen sei die Zahl der Rentner, die einen Antrag gestellt haben, zurückgegangen. „Diese Altersgruppe hat den Kontakt zu uns aufgrund der Pandemie sehr gescheut“, erläuterte Jürgen Müller.
In der Vorausschau blicke man auf ein neues, ungewisses Jahr. Einerseits rechne der Vorstand von Hilfe für Nachbarn auf Grund von Corona fest mit Folgen auf finanzieller, psychischer und sozialer Ebene. Andererseits sei man aber auch zuversichtlich, „dass wir künftige neue Herausforderungen durch eine gelungene Kooperation gut bewältigten können“, betonte der Vorstandsvorsitzende.
Abschließend dankte Jürgen Müller Albert Zrenner, der dem Verein zehn Jahre als Revisor gedient hat. Ein Dank ging auch an Steuerberater Joachim Barth, der ebenfalls seit einem Jahrzehnt ehrenamtlich für Hilfe für Nachbarn tätig ist.
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